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Chat mit Botschafter Michael Gerber

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Moderation :
Vielen herzlichen Dank, Herr Gerber, für die rekordverdächtig vielen Antworten. Die Zeit ist schon fast um. Merci für Ihren Einsatz und wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei dieser wichtigen Schnittstelle auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft.

2016-12-09 17:02:41 aus Bern

Vielen Dank! Es war mir ein Vergnügen! Ich wünsche Ihnen und allen TeilnehmerInnen herzlich frohe Festtage! (Und nicht vergessen: Weiterhin jeden Tag ein Törchen des online Nachhaltigkeits-Adventskalenders öffnen!)

T. Schellenberg, Zürich:
Die Agenda 2030 ist ja eine der wenigen UNO-Beschlüsse, die von allen Mitglieds-Staaten getragen ist. Wie kam es so weit? Ist es eventuell ein Zeichen, dass Sie auch zu wenig "greift"?

2016-12-09 17:01:22 aus Bern

Der Beschluss hat historischen Charakter. Noch nie in der Geschichte der UNO fanden sich so viele Staats- und Regierungschefs persönlich in New York ein, um ein Abkommen dieser Tragweite zu beschliessen. Nun gilt es aber, die Agenda umzusetzen und hier erhoffen wir uns von all den Staaten und Akteuren schon noch etwas mehr Engagement...

Moderation:
Wie sieht es mit der privaten Umsetzung aus? Schenken Sie SDG 12-konform? Reisen Sie SDG 13-kompatibel? Werden Ihre Kinder im Sinne von SDG 10 erzogen?

2016-12-09 16:57:26 aus Bern

Tja... Gute Frage! Ich gebe mir Mühe! Meine Reisen werden (wie alle im EDA) zumindest CO2-kompensiert, aber das macht meine berufliche Öko-Bilanz natürlich noch nicht besser. Beim persönlichen Konsum oder im Umgang mit meinen Kindern versuche ich aber natürlich schon, SDG-konform zu leben. ;-) Die Agenda 2030 vermittelt Werte, hinter denen ich voll und ganz stehen kann.

P Wipfli, Basel:
Welches der SDG Ziele könnte tatsächlich erreicht werden bis 2030?

2016-12-09 16:53:51 aus Bern

Theoretisch können alle Ziele erreicht werden. Ich sehe das grösste Potenzial jedoch in denjenigen Zielen, in denen mit dem ohnehin stattfindenden technologischen Fortschritt viel gemacht werden kann. Jene Ziele, die ein wirkliches Umdenken und Ändern von Verhaltensmustern erfordern, sind natürlich am schwierigsten erreichbar. Aber eben: nicht unmöglich!

Martin Hofer:
Sie nutzen die Sozialen Medien. Ist es für Ihre Arbeit ein wichtiges Instrument oder könnte es dies noch werden. Chancen? Die Risiken der #Fakenews wurden ja in den letzten Tagen breit diskutiert...

2016-12-09 16:51:25 aus Bern

Ja, ich nutze die sozialen Medien, aber wahrscheinlich noch zu wenig... In jedem Fall werden sie wichtig bleiben oder noch wichtiger werden, auch für unsere Arbeit. Fakenews sind in der Tat ein Problem, auch im Bereich der Nachhaltigkeit, Umweltpolitik etc. Aber persönlich war ich bisher (zum Glück!) noch nicht davon betroffen.

Marianne Widmer, Winterthur:
Welche Rolle spielt die Schweiz bei den SDGs. Gibt es da auch Gruppen, wie bei der Klimakonferenz? Wer sind die wichtigsten Länder-Partner aus ihrer Sicht?

2016-12-09 16:49:37 aus Bern

Ja, die Verhandlungsdynamik ist vergleichbar mit derjenigen im Klimaprozess. Oft treten die Entwicklungsländer gemeinsam mit den Schwellenländern auf und haben dadurch eine Mehrheit. Auf der anderen Seite haben die USA, die EU, Japan, Kanada, Australien, Norwegen, Mexiko und die Schweiz viel Gewicht. Dies war auch in den SDG-Verhandlungen so. Die Schweiz konnte (und kann immer noch) oft eine Brückenfunktion ausüben und zwischen den Fronten vermitteln. Durch unsere Unabhängigkeit können wir z.T. viel erreichen und in den Verhandlungen zu den SDGs vermochten wir dank guter Vorbereitung und hoher Expertise in einzelnen Themenfeldern viel Einfluss geltend machen und die Agenda dadurch prägen.

Marc Münster:
Bonjour, quels sont à votre avis les domaines où la Suisse a le plus à faire an matière d'objectifs de développement durable, et quels sont les acteurs déterminants pour cela en Suisse?

2016-12-09 16:44:51 aus Bern

Cf. ma réponse à Madame Meyer et Madame Boschung. Les acteurs déterminants pour la mise en oeuvre en Suisse sont les secteurs publique et privé, ainsi que la société civile dans le rôle de consommateurs.

Moderation :
Auf Twitter habe ich gerade gesehen, dass der Vatikan bekannt gegeben hat, die SDGs (inklusive jede der "reproduktive Rights" von Frauen) zu unterstützen. Da mussten einige Kardinäle wohl über ihren Schatten springen. Wissen Sie dazu vielleicht mehr?

2016-12-09 16:42:43 aus Bern

Ja, in der Tat hat der Vatikan (vielleicht seit der aktuelle Papst im Amt ist) in letzter Zeit vermehrt Interesse gezeigt an den SDGs und will deren Umsetzung aktiv unterstützen. Der Papst war ja persönlich an der UNO anwesend, als die Agenda 2030 mit den SDGs verabschiedet wurden. Er hat also deren Geburtsstunde miterlebt und seither unterstützt er sie (z.T. sogar in Bereichen, in denen man ein solches Engagement nicht gewohnt ist von Seiten des Vatikans).

Andrea Hofer, Bern:
Welche Fähigkeiten muss man für Ihre Arbeit mitbringen? Sind Sie Chef-Verhandler, Diplomat oder Kommunikationsfachmann. Die Ziele umfassen ja ein sehr breites Feld - Medizin, Bildung, Ökonomie...

2016-12-09 16:39:58 aus Bern

Gute Frage! Man muss sicherlich Allrounder sein... Verhandlungs- und Kommunikationskompetenzen sind mit Sicherheit sehr wichtig. Gleichzeitig hat mir meine 15-jährige Erfahrung in der internationalen Zusammenarbeit auch geholfen, z.B. kompetent mit Entwicklungsländern am Verhandlungstisch über gemeinsame Zielsetzungen zu verhandeln. Ich bin in keinem der thematischen Zielbereiche ein Experte, habe aber in den letzten vier Jahren aufgrund meines Engagements in vielen Feldern sehr viel dazu lernen können - insbesondere in den für die Schweiz wichtigen Themen.

Andrea Meyer:
Welche SDGs sind für die Schweiz von besonderer Wichtigkeit?

2016-12-09 16:35:32 aus Bern

Vgl. meine Antwort auf die Frage von Frau Boschung. Die wichtigsten Ziele für die Schweiz (aus meiner persönlichen Sicht) sind SDG 12 (Konsum & Produktion), SDG 13 (Klima), SDG 7 (Energie) und SDG 10 (Gleichheit). Die Schwerpunktsetzung und Definition von Massnahmen findet zurzeit auf Bundesebene statt. Der Bundesrat wird sich hierzu Anfang 2018 äussern.

Sandra Boschung:
Wenn man die Ziele durchliest, hat man den Eindruck vieles betrifft die Entwicklungsländer. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Ziele für die Schweiz?

2016-12-09 16:32:58 aus Bern

Die wichtigsten Ziele für die Schweiz (aus meiner persönlichen Sicht) sind SDG 12 (Konsum & Produktion), SDG 13 (Klima), SDG 7 (Energie) und SDG 10 (Gleichheit). In diesen Zielbereichen (jedoch nicht nur in diesen) gibt es sicherlich auch in der Schweiz noch grosses Verbesserungspotential. Grundsätzlich lassen sich aber alle Ziele auf den Schweizer Kontext "übersetzen". Dies ist auch beabsichtigt und momentan arbeiten wir auf Bundesebene daran, exakt diese Übersetzungsarbeit zu leisten.

Eva Meier, Bern:
Sie arbeiten Ja mit Unternehmen, Behörden, nationalen und internationalen Politikerinnen und Politikern. Gibt es das bestimmte Gruppen, die "schwieriger" oder "einfacher" im Umgang sind? Sind zum Beispiel jüngere Akteure eher für die Ziele der nachhaltigen Entwicklung zu bewegen?

2016-12-09 16:29:41 aus Bern

Natürlich gibt es immer "schwierigere" und "einfachere" Gruppen, aber augenscheinlich ist, dass Nachhaltigkeit je länger desto mehr nicht mehr eine Frage von politisch "links" oder "rechts" ist. Die Agenda 2030 ist eine ur-liberale Agenda, in der sich auch Unternehmerinnen und Unternehmer finden. Die jüngeren Akteure zeigen sich aber tendenziell tatsächlich offener und engagierter. Schliesslich geht es auch um ihre Zukunft.

M. Huber:
Nochmals zur Frage wegen D. Trump. Gäbe es denn Instrumente die Weltgemeinschaft zu schützen, falls Trump zum Beispiel die Mitgliedschaft in der UNO kündet oder sonst extreme, undemokratische Wege geht.

2016-12-09 16:26:28 aus Bern

Nun, von einer Kündigung der UNO-Mitgliedschaft durch die USA gehen wir natürlich nicht aus. Aber der neue Präsident könnte z.B. die Beiträge reduzieren oder einzelne Abkommen aufkünden. In vielen Fällen kann man sagen, dass es auch ohne die USA gehen würde, aber in einigen Fällen dürfte ein solches Verhalten tatsächlich Schwierigkeiten bereiten. Der Einfluss der UNO auf die USA ist jedoch nur so gross, wie die Mitgliedstaaten bereits sind, Einfluss auszuüben. D.h. letztlich ist es den Ländern überlassen, sich einerseits hinter die UNO zu stellen und sie dadurch zu stärken und anderseits auch auf anderen Wegen ihren Einfluss auf die USA geltend zu machen.

Ueli Minder, Zug:
Ich weiss nicht ob das etwas mit der Agenda 2030 zu tun hat, aber ich finde es erschrecken, dass die UNO nicht im Stande ist die Kriegsparteien in Syrien zusammen zu bringen. Sie sind da näher dran. Gibt es innerhalb der UNO Reform-Bestrebungen damit sich so etwas nicht mehr wiederholen kann. Die Veto-Mächte scheinen alles zu blockieren!

2016-12-09 16:20:29 aus Bern

Dies hat in der Tat nur indirect mit der Agenda 2030 zu tun. Es gibt zwar ein Ziel zu Frieden und Rechtsstaatlichkeit, aber dessen Einfluss auf den UNO-Sicherheitsrat und auf die Kriegsparteien ist natürlich gering. Die UNO (und übrigens die Schweiz ebenfalls ganz gezielt) arbeitet aber permanent daran, die Kriegsparteien zusammen an den Tisch zu bringen und friedliche Lösungen zu entwickeln.

Eva Meier, Bern:
Sie haben letztes Jahr geschrieben, es sei nun eine Aufgabe, die Bevölkerung und speziell auch KMUs vermehrt für die Agenda2030 zu sensibilisieren. Gibt es das erste Erfolge oder Erkenntnisse?

2016-12-09 16:17:56 aus Bern

Das ist eine gute Frage! Ja, es gibt in jedem Fall erste Erfolge, aber wir wünschten uns natürlich eine noch grössere Mobilisierung für die Agenda 2030. Vieles versuchen wir auf Bundesebene selber zu lancieren, aber den grössten Hebel haben natürlich die Wirtschaft und die Bevölkerung. Wir bleiben dran und versuchen, weiter zu sensibilisieren und mobilisieren.

Daniel Drognitz, Zürich:
Wie gehen Sie mit dem Widerspruch um, zwischen den hohen Zielen, für die Sie einstehen und den vielen Anzeichen im Alltag, dass es noch wenige, echt nachhaltig Alternativen gibt und viele Weichen für unser Handeln noch nicht im Sinne der nachhaltigen Entwicklung gestellt sind.

2016-12-09 16:15:13 aus Bern

Die erwähnten Widersprüche erachte ich als relativ. In vielen Bereichen gibt es bereits technische Lösungen, Innovation und Verhaltensmassnahmen, die einer nachhaltigen Entwicklung förderlich sind. Sie werden einfach noch nicht (genügend) angewandt. In anderen Bereichen wird es in den kommenden Jahren hoffentlich weitere Fortschritte geben, damit Nachhaltigkeit zum "Mainstream" wird und wir (die Schweizer Gesellschaft) gar nicht mehr die Wahl haben zwischen einer nicht-nachhaltigen (günstigen) und einer nachhaltigen (teuren) Variante...

Sandra Fausch:
Kürzlich wurde in der Schweiz die Initiative "Grüne Wirtschaft" oder auch die der "Abschaltung der AKWs in der Schweiz" vom Schweizer Stimmvolk abgelehnt. Wie kann die Schweiz bei solchen Entwicklungen dennoch gewährleisten, dass die Agenda für nachhaltige Entwicklung auch umgesetzt wird?

2016-12-09 16:11:50 aus Bern

Die beiden erwähnten Initiativen hatten nicht direkt mit der Umsetzung Agenda 2030 zu tun, aber man hätte sie als mögliche Regulationsmassnahmen für die Umsetzung derselben betrachten können. Es braucht aber nicht in jedem Fall gesetliche Regulation. Es können durchaus auch andere Massnahmen ergriffen werden, um die Agenda umzusetzen. So sind wir z.B. mit der Energiestrategie 2050 durchaus auf Kurs des SDG 7, aber es wird sich weisen müssen, wann die Schweiz welche konkreten Umsetzungsmassnahmen unternimmt. Dies erfordert die üblichen politischen Abstimmungsprozesse (Parlament, Bundesrat, Volk).

M. Huber, Winterthur:
Wie hat die UNO-Gemeinschaft auf die Wahl von Donald Trump reagiert? Hat sie einen Einfluss auf Ihre Arbeit?

2016-12-09 16:06:37 aus Bern

Tja, natürlich hat diese Wahl die UNO-Gemeinschaft stark bewegt. Alle sind gespannt darauf, welche UNO-Politik der neue US-Präsident haben wird. Natürlich sind viele auch besorgt, z.B. gerade im Umweltbereich. Als grösster Geldgeber der UNO haben die USA natürlich ein entsprechend grosses Gewicht...

Moderation:
Wie erleben Sie die Rolle der Wirtschaft? Als Rohstoff-Drehscheibe und Sitz vieler internationaler Unternehmen, hat die Schweizer Wirtschaft ja eine recht hohes Potential, einen Beitrag zur Zielerreichung der SDGs zu leisten. Rennen Sie da offene Türen ein? Wie muss man sich ihre Arbeit vorstellen?

2016-12-09 16:03:49 aus Bern

In vielen Fallen renne ich tatsächlich offene Türen ein. Ich staune immer wieder, wie viel Schweizer Firmen bereits tun im Bereich der Nachhaltigkeit. Doch natürlich gibt es für viele Unternehmen auch noch viel Potential, noch besser zu werden. Ich spreche Firmen z.T. gezielt darauf an und mache dabei viel positive Erfahrung.

Moderation Adventskalender:
Guten Tag, Herr Botschafter Gerber. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben für diesen "online Chat". Letztes Jahr waren die SDGs, die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung erst gerade veröffentlicht worden. Hat sich Ihre Arbeit stark geändert in diesem Jahr?

2016-12-09 15:48:40 aus Bern


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Botschafter Michael Gerber
Im Herbst 2012 setzte der Bundesrat Michael Gerber als Botschafter und Sonderbeauftragten für die Erarbeitung der Schweizer Position und die Vertretung in den internationalen Verhandlungen und Gremien ein.

Michael Gerber arbeitet seit 2002 bei der DEZA im Bereich Analyse & Politik und war zuständig für Entwicklungsprogramme in verschiedenen Ländern.

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