zurück


Lotta Wundertüte

Sandra Roth

Sandra Roth hat zwei Kinder. Der Junge spielt Fussball, das Mädchen ist behindert.
Das Mädchen, im Herbst 2009 geboren, kann weder allein sitzen noch krabbeln, es leidet unter einer starken Sehbehinderung und unter epileptischen Anfällen. Sandra Roth war im neunten Monat schwanger, als im Gehirn des Ungeborenen eine Gefäßfehlbildung diagnostiziert wurde. Anders als beim Downsyndrom war es den Ärzten damals unmöglich, irgendwelche Voraussagen über Art und Schwere der zu erwartenden Schäden des Kindes zu treffen. Laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuches lag somit eine medizinische Indikation vor, die der Mutter eine sogenannte Spätabtreibung straffrei erlaubt hätte. Sandra Roth entschied sich, das Kind zu behalten. Und sie fragt sich, ob sie den Mut zu dieser Entscheidung gehabt hätte, wenn sie sich im Klaren gewesen wäre, wie schwer behindert Lotta sein würde. "Ich hoffe es", schreibt sie, "aber ich glaube es nicht."
An jedem einzelnen Tag war sie dankbar für ihre Entscheidung: für Lottas Leben. Gesunde Kinder lächeln etwa in der sechsten Lebenswoche zum ersten Mal Mutter oder Vater an, Lotta nicht. Niemand konnte voraussagen, ob sie überhaupt je lächeln würde. Und dann tat sie es, im sechsten Monat, "zwei hochgezogene Mundwinkel".

Sandra Roth: Lotta Wundertüte. Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl. Erschienen bei Kiepenheuer & Witsch





.