Chat mit Jane Muncke
Chat zu Plastik, Lebensmitteln und GesundheitIm Chat vom 19.5.2023 16 - 17 Uhr können Sie mit Jane Muncke vom Forum Plastic Packaging diskutieren.
Die promovierte Umweltnaturwissenschaftlerin und Ökotoxikologin leitet seit 11 Jahren das Food Packaging Forum, das sich für eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Wirkung von Chemikalien in Verpackungen einsetzt und nach gesunden Alternativen sucht. Das Video, das wir im heutigen Tagesfenster zeigen, gibt ein Einblick in ihre Vision und die Arbeitsweise ihres Teams.
- Wie sicher ist Plastikverpackung?
- Wie werden Verpackungen heute geprüft bevor sie zugelassen werden?
- Wie sinnvoll ist Plastik-Recycling?
Diese und weitere Fragen diskutieren wir im Live Chat Sie können die Fragen hier schriftlich eingeben.

Sie können Ihre Fragen (unten) in Deutsch, Englisch oder Französisch stellen.
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Moderation Adventskalender:
Herzlichen Dank für die (rekordverdächtig) vielen Antworten! Haben Sie vielleicht noch etwas was Sie den Leser:innen auf den Weg geben möchten?

2023-12-19 16:59:51 aus Zürich
Danke fürs Interesse :-) ich wünsche frohe Festtage und alles Gute fürs 2024, vor allem viel Gesundheit!
Moderation Adventskalender:
Herzlichen Dank noch einmal für den Einblick. Verraten Sie uns vielleicht noch, wie Sie sich nach dem intensiven Jahr erholen und wie Sie die Feiertage verbringen?

2023-12-19 16:59:39 aus Zürich
Ich werde Sonne, Bewegung im Schnee, gutes (v.a. selbst gekochtes) Essen und die Gesellschaft meiner Familie und Freunde geniessen und das eine oder andere gute Buch lesen :-)
Andreas:
Wie gut sind Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen (z.B. Maisstärke) für Lebensmittel?

2023-12-19 16:55:51 aus Zürich
Grundsätzlich kommt es darauf an, wie die Rohstoffe hergestellt werden--industrialisierte Landwirtschaft kann einen hohen Fussabdruck haben in Sachen Trinkwasserverbrauch, CO2 Emissionen (wegen des Energiebedarfs für Dünger, Landmaschinen, etc.) und Schädigung des Bodens. Aber allgemein ist festzuhalten, dass die derzeit verfügbaren Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen ebenfalls gesundheitlich bedenkliche Chemikalien enthalten, welche migrieren. Siehe dazu unser Fact Sheet "Bioplastic" https://www.foodpackagingforum.org/packaging-fact-sheets
Und Papier und Karton sind leider auch nicht frei von schädlichen Chemikalien. Tatsächlich ist Recyclingpapier und -karton in der Schweiz daher verboten für den direkten Kontakt mit Lebensmitteln (mit wenigen Ausnahmen).
Markus Unternährer:
Unser Lebensmittelhandel ohne Plastik kann man sich kaum vorstellen. Setzen Sie eher auf "bessere" Kunststoffe, oder braucht es Ihrer Meinung wirklich einen Systemwechsel, etwa wie in den Zero Waste Läsen. Ist das überhaupt machbar für einen Grossteil der Bevölkerung?

2023-12-19 16:52:06 aus Zürich
Ganz ohne Kunststoffe wird es nicht gehen, denn für manche Produkte sind sie essentiell (zB Fleisch). Hier würde es Sinn machen, neue Materialien zu erfinden, welche die geringst möglichen Belastungen haben (in Sachen Umwelt aber auch in Sachen Gesundheit). Für andere Lebensmittel braucht es einen Systemwechsel, hin zur lokalen Produktion (wo möglich) und Mehrwegverpackungen aus inerten Materialien. Es ist aber klar, dass dies Auswirkungen haben wird auf die Konsumgewohnheiten. Convenience Food ist praktisch aber oftmals auch nicht unbedenklich für die Gesundheit. Hier braucht es ein Umdenken -- ein sehr gutes Buch dazu ist "Gefährlich Lecker" von Chris van Tulleken. Würde weniger Convenience Food und ultraverarbeitete Lebensmittel konsumiert dann würde der Bedarf an Plastikverpackungen vermutlich stark abnehmen.
Marietta P.:
Hat eine Schweizer Sciftung überhaupt eine Chance sich gegen die globale Plastik-Industrie zu behaupten?

2023-12-19 16:51:20 aus Zürich
Unsere Arbeit ist für alle frei zugänglich und wir haben viele Kooperationen im In- und Ausland. Durch diese Zusammenarbeit ist ein sehr weitläufiges Netzwerk entstanden welches solide, wissenschaftliche Informationen dorthin bringt, wo sie gebraucht werden: bei Entscheidungen in Behörden, in der Politik und in der Industrie.
Moderation Adventskalender:
Sie haben im Vortrag, den wir im heutigen Fenster eingebunden haben, das Buch «Commanding Hope» empfohlen. Wie sind sie darauf gekommen? Können Sie dazu etwas ausführen?

2023-12-19 16:50:14 aus Zürich
Thomas Homer-Dixon ist ein Wissenschaftler, welcher sich mit Polykrise beschäftigt. Ich kenne ihn aus meiner Arbeit mit dem FAN Initiative https://www.faninitiative.net/about/
Marina:
Was halten Sie vom Argument, Lebensmittel ohne Verpackung seien weniger lang haltbar, das führe zu mehr Foodwaste?

2023-12-19 16:42:38 aus Zürich
Rein objektiv gesehen stimmt das natürlich. Es ist aber falsch zu meinen, dass die Konsequenz davon ist, dass alles verpackt werden muss. Food waste hat genauso damit zu tun, wo und wie Lebensmittel produziert werden (Stichwort: Subventionen), wo und wie sie verarbeitet werden (Stichwort: Ultra-processed foods) und wo und wie sie verkauft werden (Stichwort: Marketing). Bei manchen Lebensmitteln wird der Überkonsum bewusst stimuliert, und dann fallen auch mehr Lebensmittelabfälle an, weil KonsumentInnen mehr kaufen als sie eigentlich brauchen. Das Thema Food Waste ist also sicherlich komplexer und hat nicht nur mit der Verpackung zu tun, sondern auch mit strukturell bedingter Überproduktion und Überkonsum.
Anna Frutiger:
Ich frage mich manchmal ob die Angst vor Verunreinigung schlimmer ist als die direkte Wirkung. Erzählen Sie ihren Kindern, dass Plastik gefährlich ist? Oder wie gehen Sie damit um?

2023-12-19 16:37:17 aus Zürich
Diese Frage stelle ich mir auch. Es ist natürlich schon manchmal schwierig, wenn man viel weiss--das Leben wird dadurch nicht unbedingt einfacher. Dennoch bin ich überzeugt, dass es von Vorteil ist, sich über Wichtiges zu informieren und einen kritischen Blick aufs eigene Konsumverhalten zu werfen. Dank meines Wissens fühle ich mich durchaus handlungsfähig, denn ich kann die grössten Risiken vermeiden. Plastik ist schädlich für die Gesundheit, weil bedenkliche Chemikalien daraus ins Lebensmittel übergehen. Man reduziert das Risiko für gesundheitliche Konsequenzen, wenn man Nahrungsmittel nicht heiss in Plastik abfüllt oder darin erhitzt. Auch sehr fetthaltige Lebensmittel (insb. Öl) würde ich nicht in Plastik lagern, das gleiche gilt für sehr saure Lebensmittel mit tiefem pH Wert. Mehr dazu in unserm Fact Sheet: https://www.foodpackagingforum.org/resources/fact-sheet-en
Und es hilft, wenn man die Dinge verändert, welche einfach sind zu verändern und bei den anderen Gelassenheit übt.
Moderation Adventskalender:
Die Schweiz ist geprägt von Coop und Migros als Grossverteiler. Wie kooperativ sind sie?

2023-12-19 16:23:12 aus Zürich
Das Geschäftsmodell der Grossverteiler funktioniert sehr profitabel dank billiger Einwegverpackungen. Mehrweg ist umweltfreundlicher und, wenn inerte Materialien verwendet werden, auch besser für die menschliche Gesundheit. Aber bei Mehrweg fallen Kosten an für die Logistik und es ist weniger bequem, darum würden evtl Verkaufszahlen zurückgehen, würde man konsequent Mehrweg einführen (wo dies überhaupt möglich ist). Dies ist leider nicht im unmittelbaren Interesse der Detailhändler. Um hier voranzukommen bräuchte es eine "IG Mehrweg", bestehend aus verschiedenen Interessensvertretern und dem Regulator -- alleine können die Grossverteiler den Systemwechsel nicht schaffen, und finanziell sind sie (bisher) nicht motiviert. Hervorheben möchte ich hier aber COOP, wo seit rund einem Jahr ein Pilotversuch läuft: Bio Suisse Milch wird in einer Glas-Mehrwegflasche verkauft, und dieser Versuch ist sehr erfolgreich. Ich hoffe sehr, dass er Schule machen wird und das Produkt bald schweizweit angeboten wird. Und hoffentlich folgen auch in naher Zukunft andere Produkte wie Joghurt oder Rahm (aus Biomilch). Ich würde diese kaufen :-)
Eva Meier:
Die nordischen Länder sind ja bekannt für einen starken Verbraucher- und Umweltschutz. Trifft das bei diesem Thema auch zu? Von welchen Ländern können wir lernen?

2023-12-19 16:22:33 aus Zürich
Mich inspiriert Frankreich besonders mit seinen sehr progressiven Gesetzen zu Chemikalien in Lebensmittelverpackungen. Seit 2015 ist die Industriechemikalie Bisphenol A dort in Lebensmittelverpackungen verboten, weil sie in bereits minimsten Mengen das Hormonsystem schädigt. Frankreich macht nun auch Ernst in Sachen Verpackungsmüll und hat dieses Jahr neue Gesetzte eingeführt um Einwegverpackungen bei take away zu ersetzten mit Mehrweg. Auch Deutschland ist weit voraus in Sachen Mehrweg, dort kann man Milchprodukte (Joghurt, Rahm, etc.) fast überall in Mehrwegverpackungen kaufen -- davon träume ich...
Marianne Widmer:
In der Weihnachstsaison kommt viel Glitter und Gold zum Einsatz. Wie schätzen Sie das ein? Ist das gesundheitlich besonders bedenklich?

2023-12-19 16:07:22 aus Zürich
Leider ist Glitter oftmals Mikroplastik, es gibt aber vereinzelt Alternativen. Ich persönlich mag Glitter, mache aber einen Bogen darum wegen der Persistenz von Mikroplastik in der Umwelt. Zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Mikroplastik gibt es noch keine Konsenzmeinung in der Wissenschaft, es ist aber relativ sicher, dass grosse Plastikpartikel nicht vom menschlichen Körper aufgenommen werden. Trotzdem macht es Sinn, Alternativen für Mikroplastik zu verwenden und verlangen.
Moderation Adventskalender:
Wir bleibt man in einem so stark ökonomisch umkämpften Gebiet unabhängig? Müsst ihr Sponsoren-Fragen ablehnen?

2023-12-19 16:05:11 aus Zürich
Wir sind so organisiert, dass wir keine Interessenskonflikte haben. Unser Stiftungsrat besteht aus unabhängigen WissenschaftlerInnen und KommunikationsexpertInnen, welche keinen Bezug haben zu den Geldgebern, und die StiftungsrätInnen werden auch nicht vergütet für ihre Arbeit beim FPF. Alle unsere Arbeit ist frei zugänglich und wir arbeiten nach wissenschaftlichen Prinzipien (Transparenz, Objektivität, Reproduzierbarkeit, Systematisch, etc.)
Moderation Adventskalender:
Wie muss man sich deinen Alltag vorstellen? Hast du heute schon Plastik-Verpackung gebraucht ;-) Bist du viel am Schreibtisch, am Telefon, an Meetings? Oder kommst du auch mal dazu "Feld-Arbeit" oder gar "Labor-Arbeiten" zu übernehmen?

2023-12-19 16:02:55 aus Zürich
Mein Alltag ist sehr abwechslungsreich und es gibt wenig Routine. Ich reise viel um an Workshops, Konferenzen oder Sitzungen teilzunehmen. Viel Zeit verbringe ich am Computer, bei online meetings, beim Lesen und Schreiben, und mit Email. Im Labor bin ich leider gar nicht mehr (wir haben keine Labors beim Food Packaging Forum), die Küche bietet aber einen guten Ersatz -- ich koche sehr gerne und viel.
Moderation Adventskalender:
Herzlich Willkommen im Live-Chat und vielen Dank, dass Du dir Zeit genommen hast für unsere Leser-Fragen.

2023-12-19 16:02:46 aus Zürich
Herzlichen Dank für die Einladung und fürs Interesse :-)
Moderation Adventskalender:
Ich nehme an, es gibt einen starken Gegenwind von der Verpackungsindustrie, vielleicht sogar von Umweltverbänden, die Plastikrecycling fördern. Wie gehst du / wie geht ihr als Organisation damit um?

2023-12-19 16:02:42 aus Zürich
Es stimmt, dass es sehr starke Interessen gibt, welche möglichst am Status Quo in Sachen Einwegverpackungen festhalten wollen -- dazu zählt auch das Plastik-Recycling, welches schlussendlich keine grossen Änderungen bringen würde und daher von Vielen als DIE Lösung angesehen wird. Leider ist Recycling aber keine zukunftsfähige Lösung, aus verschiedenen Gründen. Wir kommunizieren wissenschaftlich fundierte Informationen, welche wir möglichst neutral und objektiv präsentieren. Viele Umweltverbände haben inzwischen erkannt, dass Plastikrecycling problematisch ist. Siehe beispielsweise https://www.greenpeace.ch/de/story/65774/sackgasse-plastik-recycling/